Arbeiten wenn andere feiern: So läuft der Dienst unserer Pflegekräfte und Alltagsbegleiter an Weihnachten ab
Pflegekraft Marina Röhlen hilft derzeit auch als Alltagsbegleiterin aus – an Heilig Abend hat sie Dienst und kümmert sich um die Bewohnerinnen und Bewohner der AWO Hausgemeinschaften – wie um Anna Götz (rechts).

Weihnachten im Kreis der Familie feiern – für einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im AWO Zentrum wie auch in der Ambulanten Pflege der Arbeiterwohlfahrt ist das nur begrenzt möglich. Denn sie haben an Heilig Abend und an den Weihnachtsfeiertagen Dienst und pflegen die Bewohnerinnen und Bewohner in unseren Hausgemeinschaften und bei den Kunden daheim. Eine, die in diesem Jahr an Heilig Abend arbeitet, ist Pflegefachkraft Marina Röhlen, die derzeit in unseren Hausgemeinschaften auch als Alltagsbegleiterin aushilft. Mit ihr haben wir über ihre Arbeit während der Feiertage gesprochen, über die Belastung der Pflegekräfte wie auch über die schönen Momente in den Hausgemeinschaften.

Wie verbringt Ihr Euren Dienst an Heilig Abend?
Marina Röhlen: „Vom Pflegealltag unterscheidet sich der Dienst an den Weihnachtsfeiertagen nicht besonders. Nach der Dienstübergabe sind wir eigentlich kontinuierlich für die Bewohnerinnen und Bewohner da. Pro Dienst, also Früh- und Spätdienst, ist jeweils eine Pflegefachkraft und eine Alltagsbegleitung pro Haus hier. Die Pflege ist ganz individuell auf den einzelnen Bewohner abgestimmt – jeder hat seine eigenen Bedürfnisse, auf die wir achten müssen. Uns ist es in der Demenzpflege wichtig, für unsere Bewohner immer ein offenes Ohr zu haben, sie ernst zu nehmen und zu schauen, dass es ihnen an nichts fehlt. Oft findet diese Kommunikation nicht mehr verbal statt, das heißt, wir müssen teilweise anhand von Gesten und der Stimmung der Bewohner erkennen, wie es ihnen geht. Unsere Bewohnerinnen und Bewohner können bei der täglichen Arbeit immer mithelfen, soweit sie wollen und auch körperlich noch können. So bereiten sie oft gerne zusammen mit den Alltagsbegleitern die Mahlzeiten vor oder helfen auch mal bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten – zum Beispiel beim Wäsche zusammenlegen.“

Kommt trotz der Arbeit auch ein bisschen Weihnachtsstimmung bei Euch auf?
Röhlen: „Wir merken schon, dass die Weihnachtszeit etwas mit den Bewohnerinnen und Bewohnern macht. Trotz der Demenz erinnern sich viele von ihnen an Weihnachtsfeste von früher – die Feiern mit den Kindern und Enkeln, oft auch an Feste als sie noch selbst Kinder waren. Das kommt dann wieder hoch und sie erzählen davon – vom Plätzchen backen, vom Schmücken des Weihnachtsbaums, vom gemeinsamen Singen. Wir Pflegekräfte und Alltagsbegleiter nehmen uns dann schon viel Zeit, wenn sie ins Erzählen kommen. Es war ein Teil ihres Lebens, der ihnen wichtig war und immer noch ist, da hört man ihnen einfach gerne zu – und so kommt auch bei uns ein bisschen Weihnachtsstimmung auf.“

Wie schaut es mit der Arbeitsbelastung aus? Gibt es Momente der Pause?
Röhlen: „Dadurch, dass in unseren Hausgemeinschaften nur Bewohnerinnen und Bewohner mit Demenz leben, ist die Arbeitsbelastung immer hoch. Da gibt es Bewohner, die man selten alleine lassen kann – sonst wird die Zahnpasta gern mal als Bodylotion verwendet oder die Marmelade landet statt Milch und Zucker im Kaffee. Unsere Bewohnerinnen und Bewohner brauchen nonstop in allem unsere Unterstützung und unsere Aufmerksamkeit. Da kann man als Pflegekraft wie auch als Alltagsbegleiter schon schnell an seine Grenzen stoßen.“

Wie äußert sich die Belastung?
Röhlen: „Jeder Tag ist anders – es gibt nur in der täglichen Pflege eine Routine. Unsere Bewohner zeigen – bedingt durch ihre Erkrankung – immer wieder andere Verhaltensweisen. Die können sich teilweise täglich, teilweise auch stündlich ändern. In einem Moment können sie sehr zugänglich sein, freundlich und aktiv, im nächsten Moment sind sie abweisend, negativ gestimmt oder lehnen beispielsweise die Pflege ab. Das macht die Arbeit mit Menschen mit Demenz so herausfordernd. Und klar, da gibt es dann schon Tage, an denen man selbst nicht weiß, wie man den Dienst schaffen soll.“

Kommt Ihr während eures Dienstes auch mal zur Ruhe? Ist das überhaupt möglich?
Röhlen: „Ich persönlich merke immer, wann es Zeit ist, mal ein „Päuschen“ einzulegen. Wir haben im AWO Zentrum einen Pausenraum, in dem wir Brotzeit machen können – Getränke, Brötchen usw. werden uns gestellt, was schon gut ist. Die Raucher können für ihre „Verschnaufpausen“ auf den Balkon. Diese „Päuschen“ sind für mich sehr wichtig – zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen mal fünf Minuten abschalten, schnell eine Zigarette rauchen – das ist für mich Gold wert. Da kann man auch mal Erfahrungen austauschen, sich gegenseitig Tipps geben oder über Alltägliches reden. Das hilft an stressigen Tagen oft unwahrscheinlich, wenn Kollegen da sind, die einem zuhören und denen man zuhören kann.“

Wie bekommt man das privat hin – Ihr könnt ja z.B. Heilig Abend nicht mit der Familie und euren Liebsten feiern?
Röhlen: „Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass ein intaktes Privatleben da ist. Wenn man sich für die Pflege und Schichtarbeit entscheidet, muss das der Partner auch akzeptieren können. Sonst wird es schwierig. Die Arbeitsbelastung in der Pflege ist sehr hoch, da braucht es auch einen Rückzugsort mit einer starken Stütze. Gerade an den Feiertagen ist es aber dann schon komisch, wenn man zur Arbeit muss, der Partner jedoch frei hat. An Heilig Abend versucht man dann, das Private auszublenden, weil man gerade an so einem Tag auch gerne für die Bewohner da sein will. Viele Bewohner haben keine Angehörigen oder bekommen keinen Besuch. Da freut man sich dann schon, diesen Tag schön für die Bewohner zu gestalten. Angefangen beim Essen kochen mit den Bewohnern, wir singen dann auch gerne Weihnachtslieder mit ihnen, wir hören uns ihre Geschichten an und natürlich darf auch die Bescherung nicht fehlen. Darüber freuen sich unsere Bewohner ganz besonders.“

Was nimmst Du an solchen Tagen für dich mit?
Röhlen: „Die schönen Momente während meines Dienstes machen den vielen Stress wett: Unsere Bewohnerinnen und Bewohner geben uns Mitarbeitern so viel Liebe und Dankbarkeit. Der eine mehr, der andere weniger. Aber man spürt, dass sie dankbar sind, dass wir für sie da sind. Sei es durch Umarmungen oder eben durch kleine „Geschenke“, die die Bewohner im Wohnbereich finden. Da werden schon mal Servietten, Zahnbürsten usw. an uns überreicht – bei manchen ist sogar auch mal ein Küsschen auf die Wange drin.“

Das Interview führte: Alexander Bauer, Pressereferent
Foto: AWO Kreisverband Bayreuth-Stadt