Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dierl, sehr geehrter Herr Abgeordneter Frühbeißer

zunächst gratulieren wir Ihnen recht herzlich zum Einzug in den Bayerischen Landtag. Wir hoffen, Sie werden Bayreuth und den Landkreis gut im Maximilianeum vertreten und sich mit viel Engagement für die Belange der Bürgerinnen und Bürger wie auch der vielen Vereine und Wohlfahrtsverbände in Ihrer und unserer Heimat ein-setzen. Wir als AWO Kreisverband Bayreuth-Stadt sind seit bald 100 Jahren für die Menschen in und um Bayreuth da, die Hilfe benötigen. Im AWO Zentrum betreuen wir 48 Bewohnerinnen und Bewohner mit Demenz, zudem ist dort auch eine Tagespflege zu Hause. In diesem Jahr haben wir eine weitere Tagespflege, die AWO Tagespflege Mainauental, in der Gemeinde Heinersreuth eröffnet. Mit der Kita Fizzli-Puzzli im Bayreuther Stadtteil Oberpreuschwitz und der Kita Pusteblume in Mistelgau sind wir Träger von zwei wichtigen Einrich-tungen der frühkindlichen Erziehung und an derzeit 13 Schulen in Bayreuth und im Landkreis bieten wir unter-schiedliche Schülerbetreuungsangebote (KiBBids, Mittagsbetreuung, OGS, OGTS, KoGa) für Kinder an. Wir sind aber auch ein sozialpolitischer Verein, der demokratisches und soziales Denken und Handeln fördern möchte.

Auch deshalb wenden wir uns in diesem Schreiben an Sie als gewählter Vertreter vieler Eltern und Kinder hier in Oberfranken. In den aktuellen Koalitionsverhandlungen Ihrer Partei mit den Freien Wählern stellen Sie gemeinsam die Weichen für die Zukunft Bayerns. Wir möchten gerne diesen wichtigen Zeitpunkt dafür nutzen, unsere Forderungen für den Bereich Kita- und Ganztagsbetreuung zusammenzufassen, da aus unserer Sicht ein gut funktionierendes Bildungssystem zentral für das soziale Miteinander und die Chancengerechtigkeit in unserem Land ist. Daher muss der qualitative und quantitative Ausbau der Kitas und der schulischen Ganztagsbetreuung absolute Priorität – auch in der Haushaltsplanung – in den kommenden fünf Jahren in Bayern haben.

Konkret stellen sich folgende Herausforderungen:

Ganztag

Im Hinblick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Kinder im Grundschulalter ab 01.01.2026 gehen wir von einer Inanspruchnahme von 80% der berechtigten Kinder aus. Derzeit liegt die Betreuungsquote in den Ganztagesangeboten bei ca. 55%. Wir brauchen also mehr Angebote, dabei sollten neben neuen Angeboten die vorhandenen Strukturen und Angebote des so genannten Werkzeugkastens“ schulischer Betreuungsangebote erhalten und stabilisiert werden. Mit der derzeitigen finanziellen Ausstattung der schulischen Ganztagsangebote können die aktuellen Angebote kaum aufrechterhalten, geschweige denn ausgebaut werden.

Offener Ganztag
Aufwendungen für Vor- und Nachbereitung, Leitungsanteile, Elternkontakte, Verwaltungsaufgaben, Personalakquise, Teamgespräche u. a. müssen die Träger selbst bestreiten. Die Tariferhöhungen und Kostensteigerungen verschärfen die prekäre finanzielle Lage. Die Förderpauschalen müssen mindestens um 30 % plus der jeweils in einem Schuljahr anfallenden Tarifsteigerung erhöht werden.

Mittagsbetreuung
Trotz der erstmaligen Anpassung der Förderung um 25% Anfang des Jahres bleibt die Finanzlage höchst an-gespannt. Die Aufteilung der Kosten zwischen StMUK, Sachaufwandsträger und Eltern funktioniert nicht mehr. Kommunen und Elternbeiträge müssen das Defizit derzeit ausgleichen. In der Regel reicht die Förderung nicht aus, um qualifizierte Fachkräfte einzustellen, die für die Erfüllung des Rechtsanspruchs aber gefordert werden. Die staatlichen Förderpauschalen müssen um 90 % erhöht und Dynamisierung erhalten, die die Personalkostensteigerungen und inflationsbedingte Kostensteigerungen mitberücksichtigt.

Kita
Wie bereits in den Empfehlungen des Bündnisses Frühkindliche Bildung Bayern festgehalten, bedarf es in Bayern einer auskömmlich finanzierten Kindertagesbetreuung mit Rahmenbedingungen, die den Eltern und ihren Kindern verlässliche und möglichst individuelle Betreuung bietet und in denen das Kita-Personal gesund bleibt und qualitätsvoll arbeiten kann.

Die Realität ist derzeit eine andere: Durch den Fachkräftemangel, belastetes Personal und die sich verschärfende Finanzlage der Träger bedingt durch Personalkostensteigerungen, Inflation und eine seit Jahren nicht kostendeckende staatliche Förderung – müssen immer mehr Träger ihre Angebote einschränken: Noch nie kam es landes- weit zu so vielen Reduzierungen von Öffnungszeiten oder Gruppenschließungen wie im vergangenen Jahr.

Um die Angebote zu stabilisieren, würde es enorm helfen, die bestehende Kosten- und Finanzierungslücke im BayKiBIG zu schließen. Derzeit deckt die staatliche Förderung nur ca. 60% der anfallenden Kosten. Träger, Kommunen und Elternbeiträge können das wach- sende Defizit nur schwer ausgleichen. Je nach Standort und Finanzlage der Kommunen finden Träger sehr unterschiedliche Bedingungen vor. Eine bayernweit einheitliche Ausstattung der Träger und die Unterstützung finanzschwacher Kommunen wäre erforderlich, um flächendeckend qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote finanzieren zu können.

So hilfreich Mittel z.B. aus dem Kita-Qualitätsgesetz sind, so unsicher sind Programme, deren Dauer nie länger als zwei Jahre gesichert ist. Eine beständige Finanzierung auch von Hilfs-, Team- und Assistenzkräften sowie die Refinanzierung von Praxisanleitung zur qualitätsvollen Begleitung von Auszubildenden würde das System stabilisieren.

Wir bitten Sie dringend, die auskömmliche Finanzierung und die Schließung der Kosten- und Finanzierungslücke im BayKiBIG sowie eine auskömmliche Finanzierung der schulischen Ganztagsangebote als prioritäre Anliegen in den Koalitionsvertag einfließen zu lassen.

Gerne führen wir zu den genannten Themen ein weiterführendes Gespräch.

Mit freundlichen Grüßen

Marion Tost Simone Stahlmann
Vorständin Referentin Kinder- und Jugendhilfe

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Alexander Bauer
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